Leben mit Posttraumatischer Belastungsstörung

Was bedeutet es mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung zu leben?

Ich möchte vorneweg sagen, dass es hier hauptsächlich um das Leben geht, nach langanhaltenden traumatischen Ereignissen (z.Bsp Misshandlung, Vernachlässigung und/oder Missbrauch in der Kindheit), dennoch gilt es schon generell für die (komplexe) Posttraumatische Belastungsstörung

Ariadne hatte einen Beitrag geschrieben – der schlicht und ergreifend wahr ist – genau so ist es! Dankenswerterweise darf ich ihn hier hin kopieren:

Das ist wohl etwas, was niemand begreifen kann, der es nicht selbst durchgemacht hat (nicht nur den Missbrauch, sondern auch die Folgen): Es bleibt einem gar nichts, man hat ganz einfach keine Wahl. Entweder man arrangiert sich oder man bringt sich um.

Manchmal will man aufgeben. Manchmal kapituliert man ganz einfach vor dem Leid und dem Leben, weil es unaushaltbar ist. Manchmal kann man eigentlich nicht mehr weitermachen, weil in einem alles kaputt ist, weil der Missbrauch das ganze Leben nachhaltig zerstört… und es gibt Dinge, die der Missbrauch mit dir macht, die dich immer begleiten werden, dein Leben lang. Egal, wie sehr du dich anstrengst, es ist kein Ende in Sicht. Einfach kein Ende. Auch wenn es vielleicht irgendwann besser wird, aufhören wird es nie. Mit diesem Wissen morgens aufzustehen, ist verdammt hart.

Wenn jemand zu mir sagt: „Es ist nicht selbstverständlich, dass du kämpfst“, dann fühlt sich das für mich immer an wie eine Lüge. Weil am Ende dabei nämlich immer herauskommt: „Aber du kämpfst ja.“ Der Punkt ist, dass es nur ein Weitermachen gibt. Dass selbst aufzugeben noch bedeutet, dass du weitermachen musst. Wenn du nicht sterben willst, musst du irgendwie damit leben.

Das versteht wirklich keiner, der es nicht selbst kennt. Auch wenn es noch eine dritte Möglichkeit gibt – die ich noch schlimmer finde als die anderen beiden: das sich drin suhlen in der Opferrolle, richtig darin aufgehen und alles damit entschuldigen, dass sie ja so eine schlimme Vergangenheit haben und es sich darin richtig „bequem“ machen. Das klingt jetzt hart – denn auch das ist nur eine Überlebensstrategie – das ist mir schon klar und aus dem Opferverhalten auszusteigen ist alles andere als einfach – es gehört auch ein Stück weit dazu, doch wenn man nicht dagegen ankämpft – verliert man sich darin.

Wie Ariadne oben schreibt gibt es sonst nur zwei Möglichkeiten – irgendwann sich umzubringen (und damit den Tätern den Sieg zu geben, denn damals ging es ums blanke Überleben!) – oder immer und immer wieder zu kämpfen – ununterbrochen – jeden Tag, jede Stunde – oft genug – jede Minute.

Jeder Mensch nimmt seine Vergangenheit mit – in der Gegenwart und in die Zukunft. Doch bei Traumatisierten ist das durch die Flashbacks noch viel deutlicher und die Vergangenheit dadurch auch viel präsenter.

Prof. Dr. U. Sachsse – einer der Führenden auf dem Gebiet der Traumatherapie in Deutschland sagte in einem Interview über Selbstverletzendes Verhalten, dass Betroffene heute häufiger auf Auslöser für Flashbacks treffen als noch vor 20 Jahren. Das Thema Missbrauch, Mobbing, Übergriffe ist in den Medien Dauerthema, in Filmen, Serien, Nachrichten, Zeitungen – heutzutage kommt man um dieses Thema nicht mehr herum. Doch für traumatisierte Menschen reicht oft ein Satz oder ein Wort, ein Geruch oder Geräusch, ein Bild – und dieses Bild löst einen Flashback aus.

Das ist nicht steuerbar – es ist wie ein Reflex (tatsächlich ist auch die Verarbeitung im Gehirn beim Traumata so, dass es nicht ins „Denken“ kommt, sondern wie ein Reflex – eine Körperreaktion – gespeichert wird – so wie ein Mensch automatisch die Hand wegzieht, wenn er auf eine heiße Herdplatte kommt oder sich duckt wenn er irgendwo eine Explosion hört – für traumatisierte Menschen ist dann sozusagen ein best. Wort der Schmerz, der die Hand wegziehen lässt oder ein Geruch wie der laute Knall, der jeden sich ducken lässt).

Der Körper reagiert – und als Betroffener kannst du nichts tun – es hat nichts mit Wollen zu tun – genauso wie ein Nicht-Betroffener – bei Schmerz zurück zuckt. Du kannst (und musst) nur – sehr sehr mühsam – lernen, damit umzugehen (Stichwort: Skills). Das ist ein sehr langwieriger und schwieriger Prozess, sehr kraftraubend und anstrengend.

Und da gibt es keinen Urlaub oder eine Auszeit – es ist eine oft lebenslange Aufgabe – denn wenn du aufhörst zu kämpfen – gewinnen die Täter von damals – und du bist verloren in den Situationen von damals – in der Angst – wo es nur noch um das blanke Überleben ging, denn Flucht war nicht möglich – es blieb nur tot stellen (Totstellreflex in Lebensgefahr) und hoffen, irgendwie – egal wie – aber irgendwie zu überleben.

Diese Zeit ist so tief in uns verankert – heute ist es nicht mehr das tot stellen, sondern das Kämpfen – wir kämpfen um zu überleben, denn wenn wir nicht kämpfen – verlieren wir diesen Kampf – und damit das Überleben, denn die Gegner, die Feinde (Widersacher, Flashbacks, Geister und Dämonen der Vergangenheit) machen keine Pause – und warten nur auf den Moment wo der Betroffene in seinen Anstrengungen nur ein bisschen nachlassen – wie in einem echten Krieg.

4 Antworten zu Leben mit Posttraumatischer Belastungsstörung

  1. Aska schreibt:

    Auf Dshini hab ich dich gesehen, deine Text über dich machte mich neugierig und ich landete auf deinem Blog. Du und Ariadne beschreiben die Folgen sehr gut. Etwas was ich nie wirklich in Worte fassen konnte. Etwas was wohl niemals jemand verstehen wird, der „aussen vor“ ist. Der eine glückliche Kindheit hatte. Keine Gewalt erlebte, geborgen und behütet aufgewachsen ist.

    Wer das selber nicht erlebte, versteht einen oft nicht. Er kann es einfach nicht, selbst mit besten Willen nicht. Vielleicht versteht er, wie kräftezerrend es ist, nicht bzw. kaum schlafen zu können. Weil er grad nen kleines Kind hat oder krank ist. Aber das sind Phasen, die rumgehen, wo dann wieder viel Schlaf folgt. Etwas wovon viele Überlebende einfach nur „träumen“ können. Genug Schlaf? Vor 10 Jahren vielleicht, wenn überhaupt. Heute ist daran gar nicht mehr zu denken…..

    Einen freundlichen Gruß
    Aska

    • Ilana schreibt:

      Hallo Aska – herzlich Willkommen hier 🙂 – ja für Außenstehende ist es kaum zu verstehen. Aber deshalb versuchen Betroffene ja auch zu schreiben, zu erklären 🙂

  2. Aska schreibt:

    Doch leider verstehen es viele nicht….ich habe heute in meinem Post auf deinen Blog und zusätzlich noch auf diesen Post verlinkt. Vieles kann ich einfach nicht in Worte fassen. Und vielleicht versteht der eine oder andere es auch besser, wenn die „Erklärung“ nicht von mir kommt.

  3. Ilana schreibt:

    Ich glaube auch die Erklärungen „wachsen“, mir geht es auch oft so, dass ich nicht die richtigen Worte finde, dann les ich bei anderen und die haben genau das geschrieben was ich meine :).

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