wie es ist

Schon ne Weile geht es bergab. Destruktive Verhaltensweisen sind wieder Alltag  und manchmal tatsächlich die letzte Möglichkeit den inneren Druck wenigstens kurzzeitig zu verschieben und suizidale Gefahren abzuwenden.

Bis letztes Jahr gab es ein Sicherheitsnetz, es wurde in den letzten Jahren löchriger, aber es war noch da und war noch – tragfähig.

Dann fielen die Therapeuten weg, dann wegen Corona die Buchbinderei, Physio wurde auch unregelmäßiger, die Betreuung war auch nur noch Provisorium und dann gab es erst den Hoffnungsschimmer, dass ein neuer Therapeut wieder Therapie möglich macht, der dann aber von der Oberärztin auch wieder zerschlagen wurde – weil er darf nicht. Nur das nötigste, nur maximal alle 14 Tage – und das reicht halt nicht.

Gesetzlicher Betreuer wechselte auch noch und über blieb: nichts.

Konnte ich mich früher von Termin zu Termin rüberretten – ist das weggefallen. Wenn ich nicht weiß, wie ich den Tag schaffen soll, sind 14 Tage unendlich lang. Auch fehlt das sich melden können oder eben mit den Themen, die in die Thera gehören, eben da anzusprechen.

Denn das löst zu viel aus – und schon ohne schaffe ich die Zeit ja kaum.

Es ist auch die Erkenntnis, dass ich ohne dieses Sicherheitsnetz eben nicht klar komme, es nicht schaffe. Auch nicht „irgendwie“.

Die Bedarfsmedikation wird zunehmend zur Dauermedikation und trotzdem klappe ich regelmäßig zusammen, weil es einfach nicht auszuhalten ist.

Destruktives Verhalten – etwas was ich seit Jahren hinter mir gelassen glaubte – ist wieder auf ALLEN Ebenen eingezogen. Essen, Finanzen, selbstverletzendes Verhalten, sich bewusst schaden usw. Ich krieg Sachen wieder nicht erledigt, die wirklich wichtig sind und wache nachts mit tränennassem Gesicht und dem Gefühl der hoffnungslosen Überforderung auf.

Der denkbar ungünstigste Zeitpunkt um über  bariatrische Op oder Ernährungsberatung nachzugehen.

Immer wieder das Gefühl des „nicht wert seins“. Nicht ich als Person, als Individuum – sondern als Patient. Niedergelassene Therapeuten sind nicht zu finden – und selbst wenn, wissen der und ich, dass die bewilligten Stunden nicht reichen werden.

Das sollen Ambulanzen abfangen – aber die sehen sich nur als Notversorgung und nicht als Therapieangebot. Auch da geht es ums Geld. Die bekommen ihre Pauschale und am liebsten sind die Patienten, die nur einmal im Quartal auftauchen. Außerdem sind sie hoffnungslos überlaufen und können allein deshalb schon nicht viel mehr anbieten.

Ich war verwöhnt. Hatte in den letzten Jahren immer Therapeuten, die sich sehr einsetzen, die mehr möglich machten.

Auch wenn es nicht um mich persönlich geht – bin ich es im Endeffekt nicht wert.

Es reicht nicht sich zu bemühen oder was ändern zu wollen – im Endeffekt geht es immer ums Geld und um Rentabilität.

Wir haben damals dieses Sicherheitsnetz aus Therapie (1-2 Termine die Woche), Buchbinderei (2-3 Termine die Woche), ambulante Betreuung (3 Termine die Woche), Physio (1 Termin die Woche) aufgebaut.

Um ein betreutes Wohnung zu umgehen, weil es eben notwendig ist, damit ich einigermaßen klar komme. Damit konnte ich mich stabilisieren und viel erreichen – zum Schluss war dann auch nur noch 1 Termin die Woche Therapie nötig (der Rest blieb, wobei Buchbinderei auch häufiger reduziert wurde).

Übrig blieben 1 Termin alle 14 Tage Therapie und 2 Termine Betreuung. Betreuung fängt jetzt ja wieder mit den 3 Terminen an, aber das ist alles eher äußere Struktur.

Das wirklich an mir arbeiten, das was ändern können – bräuchte mind 1 Termin die Woche Therapie. Und die Buchbinderei.

Der Wegfall führte dazu, dass es immer schlechter wurde. Anfangs konnte ich das noch irgendwie kompensieren. Es wurde schlechter, aber da war halt noch etwas Luft.

Mittlerweile ist da kaum noch Luft. Alte Verhaltensweisen schlichen ein, wurde mehr, wurden destruktiver, bis sie halt wieder Alltag wurden.

Es zeigt sich, dass ich ohne das Sicherheitsnetz eben nicht klar komme, dass ich wieder abstürze, all das Destruktive wieder mehr und mehr wird und Überhand nimmt.

Weil es für mich eben nur MIT diesem Sicherheitsnetz möglich ist damit umzugehen – klar zu kommen.

Ohne geht es bergab und ich weiß nicht, wie es aufhalten Wie das ändern oder gegensteuern. Wie einen passenden Therapeuten finden und die Finanzierung dafür regeln.

Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung ist nicht vorgesehen. Therapie gibt es für 80 oder 120 Therapiestunden. Sofern man überhaupt jemanden findet, der bereit ist das zu machen.

Allen ist klar, dass das nicht reicht, dass langfristige Therapie nötig ist. Dass es lange dauert bis Vertrauen gefasst werden kann und eine tragfähige und produktive therapeutische Beziehung aufgebaut werden kann. Und erst dann kann man anfangen zu arbeiten.

Aber das ist im System nicht vorgesehen. Das ist für beide Seiten frustrierend.

Wenn es in diesen vorgesehenden Stunden nicht geschafft werden kann – wird nicht bewilligt. Also trickst man – nimmt kleinere Ziele, die man eben schaffen kann. Wohlwissend, dass man nur einen kleinen Teil schaffen kann – und dann wieder von vorne anfangen muss – kämpfen muss.

Immer kämpfen um die Hilfe, die man bräuchte. Immer kämpfen, damit man sich von dem was einem angetan wurde, befreien kann. Immer kämfpen, mit den Dämonen und Geistern, Flashbacks und Alpträumen im inneren – und den Mühlen der Ämter und Steinen, die einen in den Weg gelegt werden.

Man muss kämpfen, damit man sich ändern kann, selbstbestimmt leben kann.

Überleben kann.

Es ist kein Recht das man hat, man muss es sich erkämpfen. Um dann zu sehen, dass man es nicht wert ist.

Das Schlimmste ist für mich nicht mal das nicht wert sein – sondern dass ich anfing zu glauben, es vielleicht doch wert zu sein. Angefangen hatte zu glauben, was Helfende sagten, dass ich es wert bin. Irgendwann fing ich an das zu glauben – um im Endeffekt festzustellen – dass das nur Wunschdenken ist.

Für das System, für die Gesellschaft, bin ich zu teuer und es nicht wert.

Ich hab keine Kraft mehr zu kämpfen. Auch weil ich nicht weiß, wofür ich noch kämpfen soll. Ich hab die Liste der Therapeuten abtelefoniert, in Ambulanzen vorgesprochen, nach Alternativen gesucht.

Es gab einen Grund für das Sicherheitsnetz, einen Grund dafür es aufzubauen. Auch das war ein Kampf – ein riesiger sogar.  Weil es schwierig war erstmal Dinge und Menschen zu finden, mit denen es möglich ist, die hilfreich sind und dann natürlich auch für die Bewilligungen und Finanzierungen zu sorgen.

Dann fing es an zu bröckeln, es kam Corona und es fiel ganz weg.

Kein Wunder also, dass es stetig bergab ging und es irgendwann eben nicht mehr „irgendwie“ geht, sondern eben nicht mehr geht. Es nur noch darum geht den Körper irgenwie überleben zu lassen. Die letzte Stufe.

Kampf gegen Suizidalität und immer destruktiveres Verhalten. Und wieder – kämpfen.

Nur dass es keinen Sinn mehr macht, es keinen Grund mehr gibt, der zum Kämpfen motiviert.

Es kämpft keiner mehr mit. Nicht weil es niemanden gäbe, sondern weil diese Menschen ebenfalls dem System hilflos gegenüber stehen.

Und es ist nur noch – Gewohnheit – weil ich ja immer kämpfen musste und halt weiter kämpfe, ich kenn es ja nicht anders. Bis irgendwann auch das nicht mehr geht.

Mir fehlt mein Sicherheitsnetz. Weil ich es grad dringend brauchen könnte.

 

Werbung
Dieser Beitrag wurde unter Beziehungen/Kontakte, destruktives Verhalten, Erinnerungen, Grenzen, kleine Schritte, Krisenmodus, Leben, Psycho-Somatik, Therapie veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.