Ich wurde mehrfach gefragt in den letzten Tagen, warum ich dankbar sei. Es sei doch schwierig und sie würden es bewundern usw.
Für mich ist das anders. Ja klar sehe ich die Einschränkungen und Rückschritte usw.
Aber:
Dank Therapie habe ich einen gut gefüllten Skillskoffer und kann die auftretenden Probleme relativ gut wieder runterfahren. Ebenso gelingt es mir meistens die kippende Stimmung zu stoppen, wenn ich es merke.
Das alles ist keine Dauerlösung, aber für den Moment ist Ausnahmezustand und da ist sicher mehr ok als sonst.
Vor allem aber bin ich dankbar, dass ich in Sicherheit bin.
Ich hab ein Dach über dem Kopf, in dem ich mich sicher fühle.
Das ist für mich nicht selbstverständlich und ich weiß noch zu gut wie es ist, wenn man sich zuhause nicht sicher fühlen kann. Wenn ständig Angst da ist oder Druck oder Anspannung.
Und ich weiß, dass viele im Moment genau das haben: Angst, Druck, Unsicherheit.
Wer ein Dach übern Kopf hat, weiß vielleicht nicht wie es finanziell weitergehen soll. Das ist bei mir – Dank Rente – gesichert. Oder man muss beruflich zittern. Oder nicht wissen, wie sie die Kraft bei der Pflege/Betreuung ihrer Familienangehörigen aufbringen sollen, weil auch ambulante Pflegedienste, Behindertenwerkstätten und Co geschlossen haben.
Viele haben keine Auszeitmöglichkeit mehr.
Oder keinen sicheren Rückzugsraum.
Damit mein ich nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Menschen und vor allem Kindern, bei denen das Zuhause kein Schutzraum ist.
Die Armut, Vernachlässigung und/oder Gewalt nun rund um die Uhr ausgeliefert sind. Die nicht mehr wenigstens die kleine Chance haben auch außerhalb gesehen zu werden.
Bei denen die Täter (in Folge) nicht mehr so drauf aufpassen, wo sie Sichtbares hinterlassen oder die wenigstens in der Schule mal ein paar Stunden durchatmen können.
Ich weiß wie es ist, zu Hause zu sein und nur Angst zu haben – sich nirgends sicher fühlen zu können. Leider weiß ich auch, wie sehr sich das steigern kann, wenn man dazu noch isoliert ist.
In Gedanken bin ich oft bei diesen Menschen. Bete für sie.
Und das ist das, was mich so dankbar macht, dass mir grade jetzt wie ein unfassbar großes Geschenk jeden Tag aufs Neue bewusst wird: ich fühle mich in meiner Wohnung wohl, ich fühle mich sicher, hier kann mir niemand was tun.
Es ist MEIN Raum – und der sich absolut sicher. Und finanziell ist es eng und das ist auch durch Corona mehr, weil vieles einfach teurer geworden ist. Doch eng bin ich gewohnt und manche Rechnung muss dann halt bis zur nächsten Rentenzahlung warten.
Ich kann meine Miete zahlen und ich hab ziemlich überteuertes Toilettenpapier gekauft (also das Toipapier an sich ist nicht überteuert, aber Versand kommt halt dazu und im Endeffekt ist der ja teurer als das Toipapier an sich, was es natürlich teurer macht – aber die Läden sagen grad aktuell selbst, dass sie nicht wissen, wann es wieder welches gibt). Wenn das nicht Luxus ist, was dann?
Dieses sicher fühlen – war mir nie so bewusst. Ich meine – klar – ich wusste, dass es hier – in dieser Wohnung – anders ist.
Das erste Mal fühle ich mich wirklich sicher in einer Wohnung. Aber in Zeiten wie diesen – ich glaube das kann niemand nachfühlen, der das nicht selbst erlebt hat.
Wenn nicht nur im Kopf klar ist, dass man jetzt wirklich sicher ist, sondern auch im Gefühl.
Und ja – mein Leben hat sich nicht viel verändert – das anderer jedoch sehr. Und es gleicht jetzt wohl mehr meinem als vorher. Das rausgehen können, selbstständig raus gehen und tun und lassen was man will, einfach einkaufen fahren, wenn man Milch braucht oder zum Schwimmen, das Aufrechterhalten von sozialen Kontakten, sich treffen, Kaffee trinken, ausgehen, ins Kino usw – das kann grad keiner. Für mich ist das Alltag – das „fällt nicht weg“ – weil es gar nicht gegeben war.
Aber für mich war daher auch der Einschnitt nicht so groß, die Änderung nicht so massiv. Mir fehlen die Menschen und sozialen Kontakte nicht. Im Gegenteil. Es tut mir gut, dass die deutlich weniger sind.
Es ist auch einfacher wenn es für alle gilt, ich muss nicht erklären, warum dieses oder jenes nicht geht oder nur unter best. Bedingungen, muss mich nicht ständig überwinden usw.
Das für die meisten grad das größte Problem ist – ist mein Alltag
Ich habe in den letzten Jahren in der Therapie Handwerkszeug gelernt um mit der aktuellen Situation – dem zeitweisen Wegfall aller Termine und Struktur – klar zu kommen. Es löst keine Superkrise aus. Es ist eine Ausnahmesituation und auf Dauer wird das auch nicht gut gehen, aber jetzt ist es wie es ist – und es geht – als Ausnahmesituation.
Sicherheit. Klar kann der Virus auch bei mir wüten. Aber hey. Bis dahin hab ich einen Schutzraum, in dem ich mich wohl fühle, sicher fühle, ohne Angst vor Menschen oder Existenzproblemen. Der Virus – vor dem hab ich keine Angst.
Sichere Wohnung, sichere Rente, Fahrtkostenübernahme für die dringend notwendigen Termine, ambulante Betreuung, Therapie.
Das mag auf Dauer nicht reichen, aber im Moment ist es mein Hilfsnetzwerk – und es geht damit – in dieser Ausnahmesituation – bin ich priviligiert. Das ist mir jeden Tag bewusst und dafür bin ich unendlich dankbar.